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Fördern, Sieden, Verpacken – der Weg von der Sole zum Salz erforderte mehrere Arbeitsschritte, an denen verschiedene Berufsgruppen und Hilfskräfte Tag und Nacht beteiligt waren. Hinzu kamen Zimmerleute, Pfannenschmiede und Korbflechter, die die Saline mit Arbeitsgeräten versorgten. Somit bot das Salzgewerbe vielen Hallensern ein Auskommen. Die Arbeit war hart, schmutzig und manchmal gefährlich. Technische Innovationen nach 1700 brachten zwar Erleichterung, aber zunehmend auch Arbeitslosigkeit.

Inmittelst nahm die Contagion [Ansteckung] allhie in Halle anno 1682 überhand, dass Tages funfzig, sechszig und mehr jählings dahinsturben.

Johann Dietz (1665–1738)Lehrling des Barbierhandwerks in Halle

Schwere Zeiten

Von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) erholte sich die Talsaline nur langsam. Noch 1680 produzierte sie gerade mal halb so viel Salz wie vor dem Krieg. Als schließlich die Pest um 1682 ein letztes Mal in Halle wütete, zählten auch Salzarbeiter zu ihren Opfern. Die Pfannen blieben die meiste Zeit des Jahres kalt, zuletzt standen über 20 Siedehütten ohne Salzwirker und Gesinde da. Drei Jahre später aber ging es wieder leicht bergauf.

Die Forschung geht heute davon aus, dass Halle während der letzten Pestwelle ungefähr die Hälfte seiner Bevölkerung verlor. Danach lebten nur noch etwa 6.000 Menschen in der Stadt. Spätere Zuwanderung, vor allem von französischen Glaubensflüchtlichtlingen – den Hugenotten – ließ die Bevölkerungszahlen allmählich wieder steigen.

Arbeitsbereiche der Thalsaline

Das comicartige Bild zeigt den Salzgewinnungsprozess in Halle um 1670 und die dabei tätigen Menschen auf einen Blick anhand nummerierter Stationen – vom Heben der Sole bis zum Verladen des Salzes. Kupferstich in: Friedrich Hondorff: Das Saltz=Werk zu Halle in Sachsen befindlich […], Halle 1670. Halle, Franckesche Stiftungen: BFSt: S/A:1398

Die Bornknechte

Die Bornknechte – aufgeteilt in Haspeler, Radtreter, Störtzer, Zäpffer und Träger – standen am Beginn der Salzproduktion. Haspeler und Radtreter zogen die Sole mittels muskelkraftbetriebener Hebewerke mühsam aus den Brunnen, die sogleich von den Störtzern und Zäpffern in großen Trögen gesammelt und für den Transport zu den Siedehütten in Zuber abgefüllt wurde.

Ein von Pferden angetriebenes Hebewerk – der Pferdegöpel – am Deutschen Brunnen ersetzte 1731 zwar die alte Fördertechnik und erleichterte somit die Arbeit, machte aber zugleich 20 Bornknechte arbeitslos.

Die schwerste und gefährlichste Arbeit aller Bornknechte verrichteten die Soleträger. Zu zweit schleppten sie die Sole in schweren Zubern über rutschige Holzstege von den Brunnen zu den Salzkothen. Dort schütteten sie die Sole in Fässer und liefen wieder zurück zum Brunnen, wo schon der nächste Zuber auf sie wartete.

Um einseitiger körperlicher Belastung vorzubeugen, arbeiteten die Bornknechte abwechselnd in großen und kleinen Schichten und lösten sich in einem festgelegten Rhythmus gegenseitig ab. Auch bei den Soleträgern wurde auf eine genaue Reihenfolge beim Tragen und Ablösen geachtet. Trotzdem war die Gefahr von Arbeitsunfällen mit schweren Verletzungen und lebenslangen Gesundheitsschäden beträchtlich.

Entlohnt wurden die Bornknechte mit einer lebenslangen »Gerente«, also einer bestimmten Menge Sole, die zusätzlich versiedet wurde. Von deren Erlös bestritten sie nicht nur ihren Lebensunterhalt, sondern bezahlten damit auch Gehilfen, welche die Arbeit bei Krankheit oder im Alter für sie verrichteten. Die Bornknechte waren in einer eigenen Brüderschaft organisiert.

Die Salzwirker

Die technisch erfahrensten Arbeiter der Saline waren die Salzsieder, die man auch Wirker nannte. Sie standen in einem befristeten Dienstverhältnis zu ihrem Pfänner, das bei Bedarf verlängert wurde. Ihre anstrengende Arbeit verrichteten sie an den Pfannen in den Siedehütten, umgeben von Hitze, Soledunst und beißendem Rauch. Unterstützt wurden sie dabei häufig von ihren Frauen und Kindern, aber auch angestellten Knechten.

Der Arbeitsalltag der Salzwirker folgte strengen Regeln, auf deren Einhaltung ein Eid zu leisten war. Bei Verstößen drohte der Ausschluss von der Saline oder Schlimmeres. Leibes- und Lebensstrafen wurden insbesondere dann vollzogen, wenn Salzwirker Sole verschwendeten, veruntreuten oder zu anderen Zwecken als zum Sieden nutzten – ausgenommen Feuerlöschen und Kochen von Soleiern. Ebenso war es ihnen verboten, verschüttetes Salz zu verkaufen.

Ich gelobe und schwere/daß ich meinen Gnädigsten Herrn von Magdeburgk, und seinen Nachkommen/und dem Rathe zu Halle/auch meinen Junckern und Herrn/dem ich sein Guth/Sole und Feuerwerck mit allen Fleiß einnehmen lassen/und ihme zu Nutzewenden/auch über die Ordnung nicht sieden/sondern dieselbe Ordnung allwege gehorsamlich halten.

Aus dem Eid der Salzwirker

Die Pfänner zahlten ihren Siedemeistern einen festen Wochenlohn selbst bei Krankheit oder »Kaltlager«, wenn also nicht gesiedet wurde und die Pfannen kalt blieben. Da die Siedemeister auch für den Salzverkauf zuständig waren, durften sie vom Händler – dem »Salzgast« – für jedes Stück Salz ein genau festgelegtes Trinkgeld verlangen. Von diesen Einnahmen bezahlte der Meister Hilfskräfte, Arbeitsgeräte, Siedezutaten und kleinere Reparaturen. Den Rest behielt er für sich.

Die Salzwirker waren keineswegs nur arme Lohnarbeiter, wenngleich es Unterschiede zwischen einfachen Siedern und ranghöheren Siedemeistern gab. Manche hatten sogar ein eigenes Haus und Grundbesitz und konnten sich ein bescheidenes Vermögen ansparen. Um ärmere Kollegen zu unterstützen, zahlten alle Wirker in eine gemeinschaftliche Kasse ein.

Im 18. Jahrhundert wurden vermehrt Siedehütten im Thal abgerissen, was viele Siedemeister und Knechte um ihre Arbeit brachte. Manchmal fanden sie als schlechter bezahlte Lohnarbeiter eine Anstellung beim königlichen Siedebetrieb, nicht selten aber mussten sie sich nach einer anderen Tätigkeit umsehen.

Die Salzwirker bildeten gemeinsam mit den Verladearbeitern die noch heute existierende »Salzwirkerbrüderschaft im Thale zu Halle«. Im Laufe des 18. Jahrhunderts setzte sich für deren Mitglieder die Bezeichnung »Halloren« durch. Die Halloren entwickelten neben einer typischen Bekleidung auch eigene Traditionen und Bräuche wie Pfingstbier, Fahnenschwenken oder Fischerstechen, die bis heute gepflegt werden. Deswegen hielt man sie lange Zeit für einen eigenen Menschenschlag.

Die Halloren zeichnen sich allgemein aus durch einen wohlgebauten Körper, sind von schlanker, hoher Statur; sie bilden einen sehr wohlgebildeten, schönen, auch kräftigen Menschenschlag, wie man auch in den Kothen wahrnimmt, wo sie, wegen der Hitze, nur wenig bekleidet sind. Sie haben sehr regelmäßige Gesichtszüge, eine freie Stirn und schöne Augen. Ihre ganze Erscheinung erinnert an die kräftigen Gebirgsbewohner Tyrol’s und der Schweiz [...].

Christian Keferstein (1784–1866)Über die Halloren, 1843, S. 89 f.

Die charakteristische Festkleidung der Halloren entwickelte sich im 17. und 18. Jahrhundert in Anlehnung an bürgerlich-städtische Bekleidungssitten. Auch heute noch wird sie zu besonderen Anlässen getragen. Sie besteht aus dem Dreispitz als Kopfbedeckung, einem mit Pelz verziertem Rock in Rot oder Blau, einer geblümten Weste mit 18 silbernen Kugelknöpfen, die jeweils eine eigene Bedeutung haben, einer schwarzen Kniebundhose aus Samt mit langen Bändern, weißen oder blauen Strümpfen sowie schwarzen Halbschuhen mit Silberschnalle.

Rechte und Pflichten der Halloren

Die Halloren oder Salzwirker genossen einige Sonderrechte, die ihnen in der Thalordnung garantiert wurden. Dazu gehörten der Fisch- und Vogelfang, der das Auskommen an siedefreien Tagen sicherte, sowie die Herstellung von geräucherter Schlackwurst und Soleiern. Seit dem 17. Jahrhundert waren sie gegen Entlohnung auch als Leichenträger tätig.

Neben diesen Rechten hatten die Salzwirker auch Pflichten. Im Kriegsfall etwa mussten sie einen Teil der Stadtmauer verteidigen. Bei Hochwasser hatten sie die Solebrunnen abzudichten und das Salz in Sicherheit zu bringen. Nach einer Flutkatastrophe gehörte es zu ihren Aufgaben, das Flussbett zu entschlammen. Brach ein Feuer in der Saline oder der Stadt aus, mussten die Wirker ihre Arbeit unterbrechen und am Unglücksort mit anderen Salinearbeitern bei der Bekämpfung helfen. Die Sole erwies sich dabei als ideales Löschmittel.

Die Brandgefahr auf der Thalsaline war nicht nur wegen der offenen Feuerstätten in den Siedehütten beträchtlich. Auch fielen täglich große Mengen Asche an, die mit größter Sorgfalt und Vorsicht entsorgt werden mussten. Wer ein Feuer unbeaufsichtigt ließ oder auf den Wegen Glut verschüttete, hatte mit empfindlichen Strafen zu rechnen.

Träger, Läder, Stöpper

War das Salz in den Weidenkörben getrocknet und verkaufsbereit, brachten es Träger von der Siedehütte zum Verladeplatz, wo bereits die Fuhrleute warteten. Als Kopfschutz trugen sie dabei eine sackartige Haube. Bevor die Träger das Salz den Lädern und Stöppern übergaben, befreiten sie es mit einem Reisigbesen von Ruß, der sich beim Trocknen in der Siedehütte darauf abgesetzt hatte.

Die Läder beluden die Karren und Wagen der Salzgäste. Sie zerhackten die großen Salzstücke und verteilten die Brocken auf der Ladefläche. Große vierrädrige Wagen für Langstrecken fassten ungefähr 60 ganze Salzstücke, die Zahl der vorgespannten Pferde variierte je nach geladener Menge.

Die Stöpper sicherten die Ladung für den Transport. Damit unterwegs kein Salz verlorenging, schlugen sie die Karren und Wagen mit Leinwand aus und dichteten sie mit Stroh ab. Über der Fracht spannten sie Planen als Wind- und Regenschutz, die sie mit Weidenruten fixierten und mittels Seil verzurrten.

Die Träger, Läder und Stöpper gehörten wie die Salzsieder zur Salzwirkerbrüderschaft und erhielten ebenfalls einen Geldlohn. Witwen, Hinterbliebene und Kranke wurden aus einer Gemeinschaftskasse unterstützt.

Für Sicherheit und Sauberkeit auf der Saline sorgten Tagelöhner, die den Unterbornmeistern unterstellt waren. Die Stegschäufler reinigten die Fuß- oder Laufstege, damit die Soleträger mit ihren schweren Zubern sicher zu den Siedehütten gelangten – besonders nachts, wenn sie zusätzlich Laternen mit sich trugen.

Verschüttete Sole sowie Regen- und Schmelzwasser liefen über ein System hölzerner Rinnen, den sogenannten »Spulen«, in die Saale ab. Sie verhinderten Wasserlachen auf dem tiefliegenden Gelände, welche die Brunnen verunreinigt hätten. Die Spulzieher befreiten die Rinnen von Schmutz und Schlamm, damit das Wasser jederzeit schnell abfließen konnte.

Was sich sonst an Schutt und Unrat auf der Thalsaline ansammelte, brachte der Flößmeister auf einer Schubkarre zur Saale. Dort lud er die Abfälle auf ein Floß, um sie an geeigneter Stelle flussabwärts zu entsorgen. Der Flößmeister erhielt als einziger der für Reinigungsarbeiten zuständigen Tagelöhner zusätzlich eine bestimmte Menge Sole.

Pfannenschmiede, Korbflechter und Zimmerleute

Zu den unverzichtbaren Nebengewerben der Thalsaline gehörten die Pfannenschmiede, die von den Pfännern bezahlt wurden. Aus gehämmerten Eisenblechen nieteten sie die großen Siedepfannen zusammen. Eine Pfanne hielt ungefähr 20 volle Siedewochen, danach benötigte man eine neue. Aus zwei gebrauchten Pfannen konnte noch eine minderwertigere »Kreuzpfanne« hergestellt werden.

Das frisch gesiedete Salz wurde in spezielle Weidenkörbe gefüllt, in denen es trocknen und bis zum Verkauf lagern konnte. Die Körbe waren wiederverwendbar, mussten aber regelmäßig von Korbwäscherinnen in der Saale gereinigt werden. Waren neue erforderlich, beauftragte und bezahlte der Pfänner einen Korbmacher, der die Körbe exakt nach Maß anzufertigen hatte.

Ehedem, bis in dieses Jahrhundert herunter, waren die Kothe gar sehr schlecht gebauet, alle 30 bis 40 Jahre sahe sich der Eigenthümer genöthiget, das seinige neu bauen zu lassen.

Johann Christian Förster (1735–1798)Beschreibung und Geschichte des Hallischen Salzwerks, 1793, S. 29

Die aus Holz gefertigten Salzkothen waren beständig Rauch, Ruß und Soledämpfen ausgesetzt und wurden darum schnell baufällig. Regelmäßig mussten sie von Zimmerleuten ausgebessert, schlimmstenfalls abgerissen und gänzlich neu errichtet werden. Zur Instandhaltung der Brunnenhäuser und anderer gemeinschaftlich genutzter Gebäude wurde ein amtlicher Thals-Zimmermann bestellt und vereidigt.

Wandel der Arbeitswelt

Technische Innovationen und neue Arbeitsabläufe um 1700 veränderten den Alltag auf der Thalsaline nachhaltig. Sie schufen die Grundlage für die frühindustrielle Salzgewinnung. Vorangetrieben wurde diese Entwicklung vor allem von preußischen Salinenbeamten.

Mit Aufnahme der kurfürstlichen Salzproduktion auf der Thalsaline wechselte rund ein Viertel der Salinenarbeiter den Dienstherrn. Aus pfännerschaftlichen Salzarbeitern wurde nun kurfürstliches Siedepersonal, das nicht mehr dem Thalgericht unterstand.

1701 gehörten zur Belegschaft der königlichen Siedehütten 23 festangestellte, regelmäßig entlohnte Personen: ein Faktor, ein Obersalzsiedemeister, 16 einfache Salzsieder, zwei Salzzähler und drei Pfannenschmiede. Nicht festangestellt war hingegen das stets erforderliche Hilfspersonal. Handwerker wie Maurer, Schmiede, Böttcher, Schornsteinfeger sowie Steinkohlenfahrer, Boten, Salzpacker und Tagelöhner zum Stempeln der Salztonnen wurden je nach Aufwand bezahlt.

Umbauten an den Siedehäusern und Förderanlagen erleichterten zwar die Arbeit und erhöhten die Salzausbeute, führten aber auch dazu, dass weniger Arbeitskräfte nötig waren. Besonders die Soleförderung mit Muskelkraft wurde nach und nach von Maschinen übernommen, der Transport der Sole über Röhren machte die Soleträger überflüssig.

Aller Menschen Arbeit auf der Thalsaline hing von der produzierten Salzmenge und der dabei genutzten Technik ab. Politische Eingriffe, Absatzminderung und Rationalisierung gefährdeten stets Arbeitsplätze. Veränderungen der gewohnten Ordnung und Privilegien lehnten die SalzarbeiterInnen daher meist ab.

Dennoch: Im frühen 19. Jahrhundert wurde das Salz auch bei der Pfännerschaft nicht mehr in vielen kleinen Siedehütten, sondern in zwei großen Siedehäusern hergestellt. Und die Sole kam auch nicht mehr durch Menschenhand, sondern mittels eines Pferdegöpels aus den Brunnen.

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