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Die Thalsaline war ein unübersichtlicher Ort mit eigenem Recht und komplizierten Regeln. Diese hatten sich im Mittelalter herausgebildet und seitdem kaum verändert. Der Wandel um 1700 aber konfrontierte die traditionelle Arbeitswelt des halleschen Salzwerks mit neuen, effizienteren Wirtschaftspraktiken und läutete schließlich das langsame Ende der alten Thalsaline ein. Die Zeit der »modernen« staatlichen Salzunternehmen war angebrochen.

Es gibt in Sachsen-Land vier edle Saltzes-Brunnen/ Woraus der scharffe Qvell mit hauffen kömmt gerunnen Dabey erbauet ist die weitberühmte Stadt Die ihres gleichen nicht im gantzen Lande hat. Diß ist die schöne Stadt / die Halle wird genennet.

Susanne Elisabeth Zeidler (1657–1706)Aus einem Lobgedicht zum Besuch des »Großen Kurfürsten« Friedrich Wilhelm in Halle am 4. Juni 1681

Die Thalsaline in Halle

Grundriss der Stadt Halle von 1748, Kupferstich von Gottfried August Gründler, 1748. Halle, Franckesche Stiftungen: AFSt/A 01/05/21

Seit dem Mittelalter wurde das Salz auf einem umgrenzten Areal innerhalb der Stadtmauern Halles gewonnen, das »Thal« oder auch »die Halle« genannt. Hier, westlich des Marktplatzes, befanden sich vier Solebrunnen: Deutscher Brunnen, Gutjahr, Meteritz und Hackeborn. Alle Brunnen – bis zu 35 Meter tief – führten Sole unterschiedlicher Menge und Güte. Um sie herum drängten sich auf engstem Raum mehr als 100 Siedehäuschen. Diese nannte man niederdeutsch »Kothen«, was Kate oder Hütte bedeutet. In den Kothen verkochten Salzwirker mit ihrem Gesinde die Sole zu Speisesalz.

Ort und Grenze

Plan der Thalsaline von 1705, kolorierte Federzeichnung. Magdeburg, LHASA MD, Standort Wernigerode: Rep. F 2 1d, Nr. 1, fol. 12r

Das Areal der Thalsaline war mit Grenzsteinen genau abgesteckt. Die eingemeißelten Wappen zeigten an, ob man sich auf Stadt- oder Thalgebiet bewegte.

Alle paar Jahre schritt eine Kommission die Grenzen des Thalbezirks ab und kontrollierte dabei auch den ordnungsgemäßen Zustand der Grenzsteine. Die Jahreszahlen auf den Steinen bestätigten diese Ortsbegehungen. Heute sind nur noch zwei Grenzsteine erhalten.

Solgut und Solgutsbesitzer

Als Stadt- und Landesherren besaßen die Magdeburger Erzbischöfe die Rechte an der Thalsaline. Die Sole vergaben sie in verschiedenen Anteilen meist als Lehen an wohlhabende Hallenser, die dadurch zu Solgutsbesitzern wurden. Nach handfesten innerstädtischen Konflikten zog Ernst II. von Sachsen 1479 ein Viertel aller Thalgüter – die »Quartsole« und einige Siedehütten – für eigene Zwecke ein. Diese hoheitlichen Rechte beanspruchten 1680 auch die Hohenzollern als neue Landesherren.

Das Solgut war vererbbar, aber nur an männliche Nachkommen. Hinterbliebene Frauen erhielten jedoch für ihr weiteres Auskommen eine Entschädigung. Man durfte das Solgut auch verkaufen, tauschen oder verpfänden, was in Halle recht häufig geschah. Dadurch wechselten immer wieder die Besitzer, die aber stets der Oberschicht angehörten.

Die traditionelle Lehnsbindung wurde 1722 in freies, erbliches Eigentum umgewandelt. Dadurch konnten erstmals auch Frauen gleichberechtigt über Solgut verfügen. Ab 1730 gestand man ihnen sogar das Siederecht zu.

Die Zeremonie des »Lehntafelhaltens« am Jahresende diente dazu, neue Solgutsbesitzer offiziell zu bestätigen. Hierbei wurden im Beisein von Hof-, Stadt- und Salinenvertretern alle Besitzverhältnisse mit einem Griffel in Wachstafeln geritzt. Für jeden Brunnen gab es drei dieser Tafeln gleichen Inhalts: je eine Tafel für das Thalgericht, den Landesherrn und den Rat der Stadt.

Die Belehnung hallischer Bürger mit Salinenanteilen war ein wichtiges höfisch-städtisches Ritual, das den großen Einfluss des Landesherrn auf die Saline unterstrich. Dabei konnten sich alle Beteiligten vorteilhaft in Szene setzen und das harmonische und gedeihliche Miteinander von Saline, Stadt und Hof demonstrieren. Hinter den Kulissen aber kam es nicht selten zu Unstimmigkeiten.

Pfänner und Pfännerschaft

Solgutsbesitzer durften nicht einfach so Salz sieden lassen. Nur Pfänner waren dazu berechtigt. Hierfür mussten sie verheiratete Stadtbürger mit eigenem Haus und Hof sein, eine Siedehütte besitzen und über Solgut verfügen. Wer weder Siedehütte noch Solgut hatte, konnte beides von anderen pachten.

Die Pfänner, darunter viele erfolgreiche Kaufleute, waren die Betreiber des Salzwerks. Als eigenständige Unternehmer gehörten sie zur Pfännerschaft – einer Art Genossenschaft mit eigenem Vermögen, Wappen und Siegel. Wichtige Fragen zur Saline wurden gemeinsam entschieden. Die Pfänner erteilten ihren Arbeitskräften Weisungen und behielten die Technik im Auge. Da gewöhnlich viele Pfänner im Stadtrat saßen, hatten sie einigen Einfluss auf das Stadtgeschehen.

Diejenigen, so aus der Sole in denen Kothen das Saltz sieden lassen, werden Pfänner genennet.

Dr. Friedrich HondorffDas Saltz=Werck zu Halle in Sachsen befindlich […], Halle 1670

Pfänner werden

Bei der jährlichen »Besatzung der Thalgüter« wurde festgelegt, wer zur Pfännerschaft gehört. Wollte man im Folgejahr als Pfänner Salz sieden und verkaufen lassen, begab man sich kurz vor Jahresende zum Rathaus. Dort musste man vor einer landesfürstlichen Kommission sowie Repräsentanten der Stadt und Saline feierlich erklären, in welcher Siedehütte man zu sieden beabsichtigt. Erst dann wurde das Siederecht erteilt.

Alte Darstellung, die zwei reich verzierte historische Gebäude nebeneinander zeigt.

Neue Pfänner

Wenn sich die Stadt veränderte, kam auch Bewegung in die Pfännerschaft. Das zeigte sich besonders in brandenburgisch-preußischer Zeit nach 1680. Zwar stammten um 1700 die meisten Pfänner nach wie vor aus einer alten Pfännerfamilie oder hatten in eine solche eingeheiratet, doch gab es immer mehr Neuzugänge: Professoren der 1694 gegründeten Friedrichsuniversität zum Beispiel, vor allem aber preußische Beamte.

Der Mediziner und Universitätsprofessor Friedrich Hoffmann etwa beschäftigte sich aus medizinischem Interesse mit Salz und publizierte dazu. Als Pfänner war er innovations- und experimentierfreudig und zählte zu den ersten Mitgliedern der Pfännerschaft, die ihre Siedehütten auf Steinkohlenfeuerung umrüsteten.

Die enge soziale Verflechtung von Pfännerschaft und preußischer Verwaltung ist typisch für die Zeit um 1700. Es lohnte sich durchaus, das Amt eines Geheim-, Hof- oder Justizrats mit dem Pfannenwerk zu verbinden. Die Aussicht auf eine Karriere im Staatsdienst führte so manchen Pfänner über die Stadtgrenzen hinaus bis nach Berlin, mitunter gekrönt von der Verleihung eines preußischen Adelstitels. So stieg Johannes Andreas von Kraut (1661–1723), Gründer des Königlichen Lagerhauses, als Unternehmer, Bankier und Minister zu einer der einflussreichsten Persönlichkeiten im Berliner Wirtschaftsleben auf. Für seine Verdienste wurde er in den preußischen Adelsstand erhoben, ebenso sein älterer Bruder Christian Friedrich von Kraut (1650–1710), der auch Pfänner war.

Thalhaus und Thalgericht

Die exklusive Stellung der Pfännerschaft demonstrierte nicht zuletzt das Thalhaus aus dem 15. Jahrhundert. In seinen prachtvollen Räumen tagte nicht nur das Thalgericht, auch Versammlungen und Festlichkeiten der Pfänner fanden hier statt. 1882 wurde es abgerissen, Gerichtssaal und Festzimmer konnten aber gerettet werden. Die historischen Räume sind heute im Talamt der Moritzburg Halle zu besichtigen, das 1904 dem Thalhaus nachempfunden wurde.

»Dales Recht«

Die Saline bildete einen eigenen Rechtsbereich in der Stadt. Produktion und Verwaltung, Eigentum und Nutzung, Friedenswahrung und Sanktionen, aber auch Arbeitsschutz und Entsorgungsfragen waren im Thalrecht geregelt. Es diente dem reibungslosen Ablauf der Salzgewinnung für allzeit gute Erträge.

Die älteste bekannte Niederschrift des Thalrechts stammt aus dem Jahr 1386. Die dort formulierten Normen gehen auf noch älteres Recht zurück, das im Laufe der Zeit immer wieder überarbeitet und ergänzt wurde. Die Fassung von 1482 blieb im Kern für die folgenden zwei Jahrhunderte gültig, hemmte jedoch Innovationen angesichts sich wandelnder Zeiten. Nach 1680 verlor das Thalrecht als eigenständige Form der Rechtsprechung allmählich an Bedeutung.

Wer in der Stadt etwas ausgefressen hatte, suchte bisweilen Zuflucht im Thal, wo man vor dem unmittelbaren Zugriff der Stadtgerichte einigermaßen sicher war. Nicht wenige Studenten versteckten sich – zum Beispiel nach handfesten Auseinandersetzungen mit der Stadtwache – vorübergehend bei Halloren, mit denen sie generell ein gutes Verhältnis pflegten.

Der Salzgraf

Der Salzgraf vertrat die Rechte des Landesherrn auf der Saline. Als oberster Richter stand er dem Thalgericht vor, das mehrmals im Jahr tagte, um über Verstöße gegen das Thalrecht zu verhandeln: von fahrlässigem Umgang mit Feuer über Unterschlagung von Sole bis hin zu Tötungsdelikten. Hierbei wurde er von Schöffen unterstützt.

Auch trat der Salzgraf bei Zeremonien und öffentlichen Anlässen als Repräsentant von Saline und Pfännerschaft auf. Damit war er ein wichtiger Vermittler zwischen den Pfännern und der Obrigkeit. Zu den bekanntesten Salzgrafen in Halle zählen Friedrich Hondorff (1628–1694) und Johann Christoph von Dreyhaupt (1699–1768).

Salzgrafen sind in Halle seit 1145 urkundlich belegt. Sie wurden vom Stadtrat meist auf Lebenszeit gewählt und vom Landesherrn bestätigt. Der 48. und letzte offizielle Salzgraf, der hallesche Jurist Karl-Friedrich Zepernick (1751–1839), wurde 1785 in sein Amt eingeführt.

Bornmeister und Thalvorsteher

Drei Oberbornmeister standen dem Salzgrafen als Verwalter zur Seite. Sie beaufsichtigten die Solebrunnen und die gesamte Salzproduktion und wurden jährlich vom Rat der Stadt gewählt. Ihnen unterstellt waren die Unterbornmeister, die nicht nur die korrekte Verteilung der Sole und notwendige Baumaßnahmen überwachten, sondern auch bei Streitigkeiten schlichteten. Darüber hinaus sorgten vier Thalvorsteher für die Instandhaltung von Brunnen und Brunnenhäusern sowie Wegen und Gebäuden im Thal.

Im übrigen hat es wohl keine Saline gegeben, deren Besitz- und Rechtsverhältnisse so kompliziert waren, wie es in Halle der Fall war.

Johannes Mager (1925–2015)Salz, Gott erhalt's, 1993, S. 27

Vom Erzstift zum Herzogtum – die neue Landesherrschaft

Mit dem Tod seines letzten Administrators Herzog August von Sachsen-Weißenfels (1614–1680) wurde das Erzstift Magdeburg – dem auch Halle angehörte – 1680 ein weltliches Herzogtum im Herrschaftsgebiet des Kurfürstentums Brandenburg. Nun waren die brandenburgischen Kurfürsten und späteren preußischen Könige aus dem Hause Hohenzollern die regierenden Landesherren.

Herzog, Kurfürst, König

Halles Salz für Brandenburg

Bis 1680 gab es auf brandenburgischem Boden keine Salinen. Darum mussten die Kurfürsten ihr Salz teuer importieren, vor allem Siedesalz aus Lüneburg, aber auch Meersalz von der Atlantikküste. Nun aber schien diese Zeit endlich vorüber. Denn auf dem frisch erworbenen Territorium Magdeburgs gab es gleich fünf ergiebige Salinen, darunter auch das Salzwerk von Halle. Vor allem dessen Salz sollte künftig die Provinzen Kurbrandenburgs versorgen, die lange Abhängigkeit von Lüneburg beenden und die Staatskasse füllen.

Brandenburgs Untertanen aber mochten das hallesche Salz nicht. Es war ihnen nicht fein und weiß genug – anders als das Lüneburger, das in Bleipfannen gesiedet wurde. Zu allem Übel schlugen die Pfänner das Angebot aus, die landesherrlichen Anteile an der Thalsaline zu pachten und im Namen des Kurfürsten Salz für Brandenburg zu sieden.

Die Saline in Lüneburg

Stadtansicht von Lüneburg mit Saline, kolorierter Kupferstich von Franz Hogenberg, [1599?]. Heidelberg, Universitätsbibliothek: A 330 A Gross RES::5, https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/braun1599bd5/0150, Public Domain Mark 1.0

Zwei Unternehmen an einem Ort

Um mit der Qualität des Lüneburger Salzes mithalten zu können, folgte Kurfürst Friedrich Wilhelm dem Vorschlag seines Finanzbeamten Christian Friedrich Kraut, eine eigene Salzproduktion aufzuziehen. Der Sohn eines halleschen Pfänners wurde daraufhin zum Salzdirektor und Leiter des kurfürstlichen Siedebetriebs ernannt. Nun gab es auf der Thalsaline gleich zwei Salzwerke: die alte pfännerschaftliche sowie die neue staatliche Saline mit eigenen Siedehütten, separater Verwaltung und vereidigten Salzwirkern.

Da die Brunnen mehr Sole führten, als verarbeitet werden konnte, ließ man die überschüssige Menge einfach in die Saale fließen. Aus Sicht des Kurfürsten reine Verschwendung. Er ordnete an, in seinen Salzkothen diese »Extrasole« gewinnbringend zu verarbeiten. Sie wurde zur Grundlage der Salzgewinnung in den sogenannten »Domänenkothen« und der späteren Königlichen Saline vor dem Klaustor. Als die Produktion wie gewünscht lief, verpachtete der König seinen Eigenbetrieb an eine unternehmerisch tätige Ritterschaft.

Interesseverlust und Niedergang

Im 17. und 18. Jahrhundert schwand Halles Bedeutung als Salzstadt und mit ihr der Wert des alten Salzwerks. Das hatte nicht nur wirtschaftliche Gründe. Denn die Pfännerschaft engagierte sich nur noch halbherzig für ihre Saline. Sie bot zwar ein schmales, verlässliches Einkommen, aber kaum noch Prestige wie in früheren Tagen. Mehr gesellschaftliches Ansehen versprach der Staatsdienst, ob mit oder ohne Adelstitel.

Das nachlassende Interesse der Pfänner war einer der Gründe, warum die alte Thalsaline nach 1700 allmählich den Anschluss verlor. Neue Technologien, Produktionsmethoden und Handelsmöglichkeiten hielten nun Einzug bei der Konkurrenz – den neuen staatlichen Salinen Preußens und Kursachsens. Die Pfännerschaft reagierte zu spät darauf.

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